Vogelauffang-station
junge Kohlmeisen
Wie es dazu kam
Das einfach aus der Natur entnehmen von Wildtieren ist verboten. Das macht auch Sinn. Sieht es vielleicht auf den ersten Blick so aus als müsse man das Tier sofort retten, kann meist nur der Wildhüter oder eine andere Fachperson wirklich beurteilen was zu tun ist. Jeder kennt die Fälle von Rehkitzen und Hasenkinder, die durch menschliche Berührungen dann von ihrer Mutter verstossen wurden. Bei den gerade flügge gewordenen Vögeln ist nicht eingreifen oder nur vorübergehend sichern, zB durch hochheben und auf einen Ast oder ein sonst sicherer Ort platzieren meist besser als «retten». (Vogel Eltern stört es nicht, wenn die jungen von Menschen angerührt werden.)
Egal wie viel Mühe wir Päpplern uns auch geben, die Eltern sind immer die meist geeigneten Erzieher.
Damit wir nicht alle die gleichen Anfängerfehler wieder und wieder machen ist es ratsam Wildtiere die wirkliche Hilfe brauchen nach Absprache mit der Wildhut in geübte Hände ab zu geben. Eine Tierarztpraxis ist für viele Leute die erste Anlaufstelle bei einem Tier-Fund. So kam auch ich zu diesem Metier. Um nicht illegal unterwegs zu sein und weil ich es gern richtig mache, habe ich daher auch die Kantonale Bewilligung eingeholt um Singvögel auf zu päppeln und wieder auswildern zu dürfen. Hierfür bilde mich laufend weiter. Mit der Wildhut habe ich bis jetzt eine gute Zusammenarbeit und kann immer Rat einholen.
Wer ein wenig im Netz surft sieht immer wieder gutmeinende Leute die Vögel total falsch ernähren und sozial fehlprägen. (Auch mir ist das schon passiert mit dem Fehlprägen, denn sie sind ja so herzig.… aber ich habe davon gelernt.) Dem geretteten Tier ist damit nicht geholfen, kann es doch sein Vogelleben so nicht ausleben, wenn es die falsche Ernährung überhaupt schon überlebt.
Das Futter ist ein sehr wichtiges Thema. Da habe ich mir immer sehr viel Mühe gegeben. Eine Zeit lang habe ich die Insekten selber gezüchtet damit sie den richtigen Nährstoffen enthalten. Das ist aber sehr aufwendig, etwas eklig und braucht Zeit. Kommt ein neuer Patient oder bessergesagt Bewohner, braucht es null Komma plötzlich was Gescheites. Darum habe ich jetzt 2 Schubladen in der Gefriertruhe voll mit Futterinsekten und Dosen mit Mineralien und Vitaminen bereitstehen.
Das kriecht und krabbelt. Unterm Netz werden fliegen gezüchtet die von Schwalben im Flug gefangen werden sollen.
Zum Glück ist das Fehlprägen bei Singvögeln, im Gegensatz zu Rabenvögeln*, die man deshalb auch nie alleine halten soll, nicht wirklich ein Problem. Kommen sie mal in die Auswilderungs-Volieren werden sie bald etwas scheuer. Sobald sie bewiesen haben, dass sie ihr Futter selber finden oder sogar fangen können werden nach ein paar Tagen mit wenig bis kein Menschenkontakt ganz frei gelassen. Es wird noch eine Zeitlang Futter zur Unterstützung bereitgestellt.
Danach fragt man sich bei Sichtungen immer wieder ist das einer ‘von mir’?
*Rabenvögel wie zum Beispiel der Rabenkrähe gehören zu den Singvögeln und sich deshalb geschützt. Das Aufhängen von toten Krähen ist daher verboten. Es wirkt sowieso zu wenig abschreckend. Federn am Boden, als wäre da ein Artgenosse gerupft worden haben viel mehr Effekt. Dazu kann man auch andere schwarze federn gebrauchen, vom gerupften Huhn zum Beispiel, mit ein Federnpack kann man mehrere ‘Rupf Stellen’ simulieren.
Was soll man beachten bei einen Vogelfund?
Fragen sie bevor sie das Tier einsammeln bei eine Fachperson nach. Heutzutage ist das schicken von Bildern ja ganz einfach. Nehmen sie sich Zeit! Viele scheinbar verlassene Jungvögel die in der Astlingsfase sind, werden sehr wohl noch von den Eltern versorgt. Erst wenn 2 Stunden kein Elternteil gesehen oder gehört wird kann man davon ausgehen das es verlassen ist. Lauschen und schauen sie gut, vielfach flattern die Eltern aufgeregt in der Umgebung umher und getrauen sich wegen des Menschen nicht in der Nähe ihres Kükens. Daher sollte man es aus einiger Entfernung beobachten. Würde man mir so ein Vogelkind bringen könnte ich es sehr wohl grossziehen. Es müsste hier aber zuerst sich an mich gewöhnen, mein Futter zu fressen lernen und… würde pausenlos seine Eltern rufen.
Nestlinge sind da viel unkomplizierter, die sperren blind und fressen alles. Es muss gesagt, dass auch Ästlinge oft problemlos sperren, nimmt aber nicht weg das die Eltern es viel besser auf ein Vogelleben vorbereiten können als ich.
Ist das Küken un- oder halb befiedert braucht es Hilfe. Kann man es ohne weiteres wieder ins Nest zurücksetzten ist das natürlich zu bevorzugen. Man soll sich aber fragen warum es hinausgefallen ist. War es zu heiss unter dem Dach? Wurde das Nest zerstör? Sind die Eltern gestört worden und füttern nicht mehr, oder sogar tot und ist das hungrige Küken deshalb zu früh zum Loch raus?
Vorbilder von (bei mir aufgewachsenen) Ästlingen
Nestlinge sind un- oder zum Teil befiedert.
Immer sofortige Hilfe brauchen junge, oft sogar ganz befiederte und deshalb von Laien nicht als jung erkennbare Mauersegler. Bei grosser Hitze aber auch bei anhaltendem Schlechtwetter ‘regnet’ es manchmal Seglerjungen. Sie springen runter in ihrer Verzweiflung, verletzen sich oft dabei und werden von den Eltern da nicht mehr gefüttert. Die müssen dann sehr behutsam und sehr mühsam von Hand aufgezogen. Bei ihnen ist es extrem wichtig das die Ernährung stimmt. Denn bekommen sie das falsches Futter oder werden zu viel in der Hand gehalten leidet das Gefieder. Da Mauer- und Alpensegler das ganze Jahr und 24 Stunden am Tag in der Luft sind (sie landen nur zum Brüten auf die zum Laufen unbrauchbare aber zum Klettern geeignete Beine) ist ein perfektes Federkleid extrem wichtig. Die dies Jahr geschlüpfte Küken mausern erst in 1,5 Jahre. Und das, wie alle Segler, Feder um Feder, weil sie es sich nicht leisten können, wie viele andere Vögel eine Zeit lang etwas Flugbehindert zu sein. Wird daher ein Küken falsch ernährt, würde es bis zu zwei Jahren Pflege brauchen in einem gepolsterten Zimmer wo es sein Gefieder nicht an raue Mauern oder Gitter kaputt machen kann. Es müsste lernen selber aus Gefässen zu essen und zu trinken, was für einen Segler, der im Flug frisst (jagt), trinkt und sogar schlaft, absolut nicht normal ist. Machbar, aber passt so gar nicht zu diesen Geschöpfen, die, das merkt man schon bei den Jungen stark, zum Fliegen programmiert sind.
Wie gesagt, Segler sind sehr mühsam in der Aufzucht, vielen müssen über Wochen hinweg zwangsernährt werden und sind Weltmeister im hinauswürgen von mühsam hineingestopften Heimchen. Zum auswildern sind sie aber die besten. Wenn die bereit sind, und nur dann, fliegen sie dir von der Hand und sind selbstständig. Von Vorteil ist es, wenn andere Segler in der Nähe sind da sie vielfach in Schwärmen fliegen.
Auch Mehlschwalben lasse ich gern frei, wenn andere Mehlschwalben gerade hier fliegen oder ich bringe sie an einen Ort wo Nester sind. Es hat mich schon einige Male gerührt, zu sehen wie so ein für Mehlschwalbe offensichtlich etwas unbeholfenes Küken (für mich sind es schon vollendete Flugkünstler…) von einer erwachsenen Schwalbe wie aufgefangen wird, wenn es im Flug unter das Küken taucht und anscheinend guten Rat gibt. Denn dann fliegt das Junge bald als hätte es nie etwas anderes gemacht. Die brauchen dann natürlich ein leeres Nest zum Übernachten, meistens gibt es einige leere Nester unter dem Dach. Leider ist der Trend das immer weniger Nester besetzt werden.
Einmal hatte ich 7 Mehlschwalben ab ihrem zweiten Lebenstag. Die haben in der Fliegendicht gemachten Pferdebox gelernt zu fliegen und jagen. Obwohl sie da auch ihr gewohntes Nest hatten sind sie immer mehr auf die Balken übernachtet. Als eine Freundin im Dorf dann erzählte, dass es bei ihr plötzlich Schwalben gab die abends einfach auf den Balken herumsitzen wusste ich wo ‘meine‘ hingeflogen waren und das die anderen Schwalben die ihre Nester bewohnten tagsüber hier gejagt hatten. Formfehler aber trotzdem erfreulich.
Die Aufzucht von jungen Vögeln ist aufwendig und man ist etwas angebunden. Ich habe zum Glück einen super Chef und Team und kann meine Vogelkinder immer mit zur Arbeit nehmen. Eine Chance für die Lernenden auch etwas über Vögel zu lernen. Viel einfacher als zB bei der Hasen- oder Kaninchenaufzucht ist das Vogeleltern nachts nicht mehr füttern. So kann ich selber ungestört schlafen und muss erst bei Tageslicht wieder mit füttern anfangen. Die etwas Grösseren die schon Flugübungen machen, werden am frühen Morgen schon drei Mal gefüttert bis ich zur Arbeit gehe. Dann müssen sie 4 Stunden ausharren bis ich wieder komme. Das ist zumutbar finde ich und stimuliert das selber essen. Natürlich bekommen Mittags zuerst die zu essen und dann erst die 2Beiner.
Während den ersten Tagen müssen die kleinen auch warmgehalten werden, dazu habe ich Snugglesafes. Eine geniale Erfindung! Die bleiben bis zu 12 Stunden schön warm und sind sie einmal ausgekühlt, kühlen nicht das Tier aus. Dies wäre mit wassergefüllten Wärmeflaschen der Fall. Die Grossmütter haben mir aus gut waschbarer Sockenwolle Nester gestrickt oder gehäkelt, was angenehme Nester gibt. Man muss sie regelmässig waschen. Nicht weil die kleinen alles einkoten. Nach jeder Mahlzeit drehen sie sich und strecken ihr Po hoch, sodass ich leicht das in einer hülle eingepackte Kothäufchen entgegennehmen kann. (Die Eltern essen es am Anfang sogar, das habe ich mir bis jetzt verkneifen können.) Weil die Feder aber andauend wachsen und diese zuerst in einer Art Hülle stecken, ist das Nest immer voll mit so kleine Flimmerchen. Die Hülle löst sich wie Hautschuppen, weil die Vögel sich aneinander reiben und die kleinen werden immer flauschiger. Hat man mal ein Einzelnes muss man das an einander reiben mit einem Seidentuch etwas nachahmen damit es nicht kleine fröstelnde Stachelschweine gibt.
Wenn einen Vogel von einer Katze gefangen und auch nur leicht verletzt ist braucht es dringend Antibiotika. Die Pasteurella Bakterien im Katzenmaul sind für den Vogel tödlich. Die meiste Fälle verlaufen so: das Tier gedeiht und frisst prima, nach drei Tagen liegt es aber Tod in Nest. Fast ohne Anzeichen. Darum, obwohl die Meinungen über Antibiotika bei Wildtieren auseinander gehen, gebe ich Katzenopfer ohne Ausnahme Antibiotika.
Eines ist mir noch wichtig:
Grundsätzlich kann man sagen besser nicht futtern als das falsche! Das verdauen von ungeeignetem Futter raubt das schwache Tier eventuell die letzte kraft. Wichtig ist auch das man einen Vogel nie Wasser in den Schabbel gibt! Hinter der Zunge ist die Öffnung der Luftröhre, das Wasser läuft direkt hinein und so in die Lunge, das Tier kann dir in die Hand sterben, weil es ertrinkt oder später an eine Lungenentzündung verenden.
hier sieht man deutlich die Luftröhre
Hier noch ein Dankeschön an den Tierschutzverein Saanenland, ich werde grosszügig unterstütz bei den Futterkosten! Das hilft mir natürlich sehr, denn ganz gratis sind die gefrorenen Würmchen und Heimchen nicht.